Die Nachrichtenlage in Sachen Stahlschutzmaßnahmen war in den letzten Tagen nicht immer belastbar. Vorschläge von Lobbyisten wurden als zu erwartende Umsetzung veröffentlicht, falsch gedeutet oder sogar von selbst ernannten Experten missverstanden. Korrekturen und Richtigstellungen folgten en masse. Inzwischen kommt Licht in die Dunkelheit – und damit vielleicht Klarheit für die kommenden Monate.
Nur am Rande sei einleitend erwähnt, dass Meldungen, nach denen die Verhandlungen mit Blick auf ein mögliches Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien gerade jetzt zügiger vorangetrieben werden sollen, für weitere Spekulationen sorgen. Fakt ist allerdings, dass solche Verhandlungen in der Regel langwierig sind und es aktuell keinen eindeutigen Hinweis auf eine diesbezügliche baldige Einigung gibt.
Auf Grundlage der aktuellen offiziellen Kommissionsdokumente aus Brüssel vom 07. Oktober 2025 hinsichtlich zukünftiger Maßnahme, die die derzeitige Stahlschutzmaßnahme (bis 30. Juni 2026) ersetzen soll, beurteilt EURANIMI die Situation wie folgt:
Basis sind folgende Dokumente:
KOM(2025) 726 endgültig – Verordnungsvorschlag
SWD(2025) 780 endgültig – Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen
Anhänge – Produktkategorien (KN-Codes noch nicht festgelegt)
A) Allgemeine Situation
Die vorgeschlagene Verordnung führt ein Zollkontingentsystem ein, bei dem Einfuhren innerhalb des Kontingents zollfrei sind, während Einfuhren, die das Kontingent überschreiten, einem Zoll von 50 % unterliegen. Zu erwähnen ist, dass der Vorschlag der Kommission vorsieht, dass nicht genutzte Mengen nicht auf den nächsten Bemessungszeitraum verschoben werden können.
B) Inkrafttreten
Artikel 10 besagt lediglich, dass die Verordnung „am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft tritt“, ohne einen Geltungsbeginn festzulegen.Obwohl der Vorschlag natürlich von Rat und Parlament gebilligt werden muss – ein Prozess, der zwangsläufig einige Zeit in Anspruch nehmen wird , kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Maßnahme tatsächlich vor dem Auslaufen der derzeitigen Schutzmaßnahme am 30. Juni 2026 in Kraft tritt.Darüber hinaus ist zu beachten, dass der Text offenbar nicht vorschreibt, dass die künftigen Zollkontingente dem traditionellen Kalendervierteljahrsystem (1. Januar, 1. April, 1. Juli, 1. Oktober) folgen müssen.
C) Mengen
Das jährliche Gesamtvolumen der Zollkontingente wird unverändert gegenüber früheren Entwürfen mit 18,345 Mio t bestätigt.
Im Vergleich zum aktuellen achten (und letzten) Jahr der Schutzquote entspricht dies einer Reduzierung des zollfreien Kontingentsvolumens für Stahl insgesamt um 47 %, während die Reduzierung bei Edelstahl-Produkten sogar noch drastischer ausfällt – nämlich um etwa 58 %. Das geht aus der Tabelle hervor.
D) Länderkontingente in Kürze
Alle Drittländer (mit Ausnahme von Norwegen, Island und Liechtenstein) konkurrieren zunächst um die gleichen Kontingentmengen.
Die vorgeschlagenen Zollkontingente werden derzeit global pro Produktkategorie präsentiert und nach dem Prinzip „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ verwaltet.
Sobald die Maßnahme von Parlament und Rat gebilligt wurde, beabsichtigt die Kommission, Verhandlungen mit den WTO-Partnern aufzunehmen, um länderspezifische Kontingentzuteilungen gemäß Artikel XXVIII des GATT 1994 festzulegen.
Die Kommission wird anschließend einen Durchführungsrechtsakt erlassen, der die Länderzuteilung der Zollkontingente festlegt. Zum jetzigen Zeitpunkt liegen keine Einzelheiten darüber vor, wie solche Länderkontingente festgelegt werden sollen.
Das bedeutet, dass der im Vorschlag vorgesehene „Erga-omnes“-Ansatz nur vorübergehender Natur ist und dass spezifische Länderzuteilungen nach Abschluss dieser Verhandlungen erfolgen werden.
E) „Schmelz- und Gieß“-Ursprung
Importeure müssen einen Nachweis, beispielsweise ein Werkszertifikat, über das Land vorlegen, in dem der Stahl erstmals geschmolzen und gegossen wurde.
Dieser Nachweis ist Voraussetzung für die Inanspruchnahme des zollfreien Kontingents. EURANIMI geht jedoch davon aus, dass er die bestehende EU-Ursprungsregel auf Grundlage der letzten wesentlichen Umwandlung nicht ersetzt.
Der Vorschlag überträgt der Kommission jedoch die Befugnis, durch einen delegierten Rechtsakt die detaillierten Regeln für die Identifizierung des „Schmelz- und Gieß“-Landes festzulegen und diese Information zu einem Zugangskriterium für die Quotenberechtigung zu machen.
Obwohl dies die EU-Ursprungsregel formal nicht ändert, könnte es in der Praxis ein paralleles Ursprungskonzept speziell für den Stahlsektor einführen.
Sobald länderspezifische Kontingente gelten, wird voraussichtlich der Ursprung des im Produkt enthaltenen flüssigen Stahls berücksichtigt.
Weitere Einzelheiten zur „Schmelz- und Gieß“-Anforderung werden in einem Durchführungs- oder delegierten Rechtsakt der Kommission folgen.
F) Mögliche Überarbeitungen
Die Kommission überprüft den Produktumfang alle zwei Jahre und kann bei Bedarf Änderungen vorschlagen.
Vor dem 01. Juli 2031 und danach alle fünf Jahre erfolgt eine umfassendere Bewertung der Wirksamkeit der Verordnung, die möglicherweise zu einer Änderung oder Aufhebung führt.
Zum Öffnen hier klicken:
20251007 EC regulation replacement safeguard annexes
20251007 EC regulation replacement safeguard proposal
20251007 EC regulation replacement safeguard staff working doc