Die A-Klasse steht für eine Möglichkeit, kostenbewusst im Premium-Segment unterwegs zu sein. Gemeint ist damit Aperams neuer Werkstoff 316A (EN 1.4682). Der Wirkungsmechanismus seiner Legierungszusammensetzung ist höchst komplex, das Ergebnis aber ganz einfach: Er ist genauso korrosionsbeständig, leicht schweißbar und gut umformbar wie der Werkstoff 316L (EN 1.4404), nur kostengünstiger.
Die gängige Wirksummen-Formel PREN = % Cr + (3,3 × % Mo) + (16 × % N) vermag diesen Effekt nicht zu beschreiben. Dennoch ist er in umfangreichen Tests, unter anderem bei der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) in Berlin, nachgewiesen.
In der Festigkeit der Schweißnaht und im Benetzungsverhalten beim Verlöten mit Kupfer ist die neue Sorte ihrem Vorbild sogar überlegen. Nachdem sich das günstige Eigenschaftsprofil herumgesprochen hat, haben die deutschen Service-Center in Haan und Sersheim alle Hände voll zu tun, Probemengen für neugierige Anwender aus der verarbeitenden Industrie zu konfektionieren und zu liefern.
In Gedanken voraus
Der neue Werkstoff ist ein Beispiel dafür, wie Aperam durch Innovation seine Marktposition in Zeiten sich wandelnder Märkte sichert und ausbaut. Über das Tagesgeschäft hinaus beschäftigt die Aperam-Strategen die Frage, wo der Bedarf an nichtrostenden Blechen und Bändern sowie hochlegierten Werkstoffen besondere Wachstumsperspektiven bietet. Drei Megatrends zeichnen sich ab: Mobilitätswende, Energiewende und wiederverwendbare Verpackungen.
Um diese Themen herum hat Aperam internationale Kompetenz-Teams geschaffen. Ihre Aufgabe besteht darin, Bedarfe zu identifizieren, indem sie in den technisch-wissenschaftlichen Kosmos der jeweiligen Anwenderbranchen eintauchen. Deren spezifische Werkstoffanforderungen gilt es zu ermitteln und mit den eigenen Produktions- und Anarbeitungsmöglichkeiten abzugleichen.
Die europäischen Forschungs- und Entwicklungszentren – an den französischen Standorten Isber-gues für nichtrostenden Stahl und Imphy für Legierungen – unterstützen Anwender dabei, das Pro-blemlösungspotenzial der Aperam-Werkstoffe zu erfassen und auszuschöpfen. Der Lernprozess ist dabei beidseitig. Verarbeiter entdecken die technisch-kommerzielle Vorteilhaftigkeit bestehender Aperam-Lösungen. Oft gehen aus der Entwicklungspartnerschaft aber auch Sondergüten oder spezielle Kombinationen von Wärme- und Oberflächenbehandlung hervor.
Nachhaltig mobil
Bei Neuerungen liegt nicht nur die Tücke, sondern auch die Chance im Detail. Beispiel E-Mobilität: Während Batteriegehäuse ein naheliegendes Anwendungsfeld für nichtrostende Stähle sind, können andere, weniger sichtbare Komponenten ebenfalls volumenrelevante Anwendungsmöglichkeiten darstellen. So umfassen auch gewichtsoptimierte Elektroautos zuweilen größere, bis zu 5 mm dicke Blechteile aus diesem Werkstoff. Das Aperam-Service-Center in Haan liefert dafür bedarfsgerecht die erforderlichen Ausgangsprodukte, denn dessen Querteilanlagen können Dicken bis zu 13 mm verarbeiten.
Ein weiterer Transmissionsriemen für nachhaltige Mobilität ist die Bahntechnik. Dieser Sektor ist auch der Hauptabnehmer von überlangen Blechen, die Aperam in Abmessungen von bis zu 16 m liefert. In Amerika und Asien ist vor allem die austenitische Sorte 301LN (EN 1.4318) in metallisch glänzenden Eisenbahnwagen sicht-
bar präsent. In Europa werden Bahnen üblicherweise lackiert. Hier kommen in Rahmenkonstruktionen und Außenbeplankungen von Straßen- und Eisenbahnwagen vor allem ferritische Sorten zur Anwendung.
Ihr Vorteil gegenüber Stahl: Der aufwendige Korrosionsschutz der Bauteile entfällt. Gegenüber Leichtmetall sind sie unter Sicherheitsaspekten, insbesondere im Brandverhalten, überlegen. Aperam gehört seit Langem zu den Innovationstreibern bei ferritischen nichtrostenden Stählen und war zum Beispiel mit der Sorte K41 (EN 1.4509) Wegbereiter der Dualstabilisierung mit Niob und Titan.
Mit Energie voran
Die Energie- und Umwelttechnik liegt auf einem Wachstumspfad. Mit einem vervollständigten Sortiment von austenitisch-ferritischen Sorten, das vom Lean-Duplex DX2101 (EN 1.4162) bis zum Superduplex-Stahl DX2507 (EN 1.4410) reicht, hat Aperam seine Position in diesem Markt gestärkt. Durch ihre Kombination von Korrosionsbeständigkeit und mechanischen Eigenschaften erlauben die Sorten der Aperam-DX-Serie gegenüber austenitischen Standardwerkstoffen häufig Dicken- und Gewichtsreduktionen um rund 30 %, etwa in Gärbehältern von Biogasanlagen oder Tanks für Biomethanol. Mit Dicken von 0,5 mm bis 10 mm deckt das für Duplex-Sorten zuständige Service-Center im belgischen Genk ein breites Abmessungsspektrum ab.
Zunehmend soll in Europa Wasserstoff die kohlenstoffbasierten Energieträger ablösen. Doch dessen Erzeugung läuft eher schleppend an. Auch langfristig wird es unverzichtbar sein, Wasserstoff in verflüssigtem Zustand aus anderen Teilen der Welt herbeizuschaffen. Ein Markthindernis liegt in den hohen Kosten der Anlagen für Verflüssigung, Transport und Lagerung des Wasserstoffgases. Dazu gehören vor allem die eingesetzten teuren Werkstoffe Nickel, Titan oder auch Carbon.
Um gemeinsam mit Industriepartnern, Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen Alternativen zu entwickeln, beteiligt sich Aperam am Forschungsprogramm NOMADE. Gesucht werden preisgünstigere Werkstoffe, die einer Temperatur von -253 °C standhalten und unanfällig für Wasserstoffversprödung sind. Das Forschungsvorhaben zielt auf Lösun-
gen ab, die Wasserstoffsysteme erschwinglicher machen und der Wasserstoffwirtschaft Vortrieb geben.
Essensgenuss ohne Verpackungsverdruss
Seit Kurzem verpflichtet die europäische Gesetzgebung die Gastronomie, im Außer-Haus-Verkauf wahlweise auch Mehrwegverpackungen anzubieten. Für die im Aufbau befindlichen Mehrwegsysteme bietet nichtrostender Stahl bedeutende Vorteile: Behälter aus diesem Werkstoff sind dünnwandig, leicht, platzsparend stapelbar und unzerbrechlich. Sie sind problemlos zu reinigen und nehmen auch im Kontakt mit aggressiven Lebensmitteln wie Tomaten keine Verfärbungen an.
In Verbindung mit einer besonderen Geometrie sind Lebensmittelbehälter aus nichtrostendem Stahl auch mikrowellentauglich. In Frankreich gibt es bereits eine Supermarktkette, die vorgefertigte Gerichte in solchen Schalen aus nichtrostendem Stahl anbietet. Sie vereinen die Funktionen von Verkaufsverpackung, Koch- und Serviergeschirr. Nach Gebrauch können sie zurückgegeben werden, viele Kunden behalten sie aber auch.
Lösungen, die durch ihren Gebrauch der CO2-Reduzierung dienen, müssen auch selbst kohlenstoffarm hergestellt sein, wenn sie – bezogen auf ihren Gesamtlebenszyklus – eine günstige Umweltbilanz aufweisen sollen. Für Endprodukthersteller, die ihre Scope-3-Emissionen minimieren wollen, bietet Aperam die Produktreihe Aperam infinite™ an. Schon bei Standardstählen liegt der Anteil an recycelten Einsatzstoffen hoch, denn in den europäischen Werken stellt Aperam seine nichtrostenden Stähle ausschließlich durch Erschmelzung aus Schrott in Elektro-Lichtbogenöfen her. Bei Aperam infinite™ beträgt der Schrottanteil sogar mindestens 98 %. Damit liegt die CO2-Fracht des nichtrostenden Stahls 85 % unter dem globalen Branchendurchschnitt. Gegenüber Aperams Standardprodukten vermindern sich die CO2-Emissionen um 50 %.
Für die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens spielen Werkstoffinnovationen eine bedeutende Rolle – wie die Entwicklung der neuen Sorte Aperam 316A. Die Theorie, die das besondere Zusammenwirken seiner Legierungselemente vollständig erklärt, ist noch gar nicht ausformuliert. Die Metallurgen arbeiten daran, sie weiterzuentwickeln und auf andere nichtrostende Stähle anzuwenden. Vielleicht wird dann aus dem neuen A-Werkstoff tatsächlich noch eine A-Klasse.


